Schlechte Laune über Formblättern
Sonntag, 20. Januar 2013, Matthias Schulz
Eigentlich könnte man sich kaputtlachen über die allgegenwärtige, allerorten anzutreffende Idiotie der Formblätter...
Ich fange woanders an: Douglas Adams beschreibt in seinem Buch "Die Letzten ihrer Art" ausgesprochen erheiternd einen afrikanischen Vogel, der ihm besonders seelenverwandt erscheint. Dieser Vogel nutzt die Sonnenwärme, um seine Eier auszubrüten, was im ersten Moment sehr ökonomisch erscheint, auf den zweiten Blick jedoch mit einem Vielfachen an Arbeit verbunden ist, weil das arme Tier, um für konstante Temperaturen zu sorgen, nun ständig Abdeckmaterial auf- und abtragen muss.
Douglas Adams zieht aufmerksam Parallelen zu seiner eigenen Neigung, die Lösung von Problemen mit einem Riesenaufwand in eine Programmform zu bringen, was ohne die Erstellung von Algorithmen vermutlich einfacher zu lösen wäre. Diese Parallele zu erkennen, ist komisch, nicht wahr?
Vielleicht nicht so offensichtlich ist die Parallele zur Bürokratie. Nehmen wir eine ganz normale -ja gut, schon an diesem Punkt kann man darüber streiten, ob so etwas normal sein kann- Steuererklärung. Seit Jahrzehnten werden zur Erfassung aller möglichen absetzbaren Ausgaben und Kosten, mit diesen und jenen Ausnahmen, Ergänzungen und Sonderregelungen, Formblätter eingesetzt. Sie sollen suggerieren, dass das Ganze ein System hat, was sich in einer formalen Beschreibung erfassen ließe. Dass es kein System hat, erkennt man einmal schon daran, dass diese Form alljährlich verändert und niemals vereinfacht wird. Des weiteren ist nur ein Bruchteil eines Formblatts wirklich für den jeweiligen Vorgang von Belang. Was zu kommunizieren wäre, füllt zumeist einen Block von zwanzig Prozent einer von vier Seiten aus, was aber nicht bedeutet, dass nicht etwa zumindest weitere zwei Seiten auszufüllen wären, die zumindest als falsch oder/und unnötiger Weise ausgefüllt zu bemängeln wären. Wenn also geforderte Einträge und falsch/unnötiger Weise ausgefüllte Blöcke final zur Zufriedenheit des Empfängers korrigiert worden sind, kann man sicher sein, dass höchstens nur besagter, relevanter Block Eingang in die weitere Bearbeitung findet, der Rest aber in der Rundablage verschwindet.
Aber zum Glück haben wir ja heutzutage Computer. Und nicht nur wir, sondern auch beispielsweise Finanzbehörden. Damit wird alles einfacher, auch die Einhaltung der Formalien bei Formblättern. Jetzt bekommt der Steuerbürger sein Formblatt nicht mehr in Papierform, sondern, was sich ja nunmehr als viel ökologischer und sicherer verkaufen lässt: sein Formblatt erscheint auf dem Bildschirm, mit all seinen unzutreffenden Abschnitten und Seiten, mit den gewohnten regelmäßigen Änderungen der Formblätter, die nun Updates heißen, und in noch kürzerer Folge aufzufahren sind. Und die in Programme gegossenen Formblätter beherrschen nun auch Addition, Subtraktion und Plausibilitätstest. Wunder der Technik, was kann da noch passieren!? Schlimmstenfalls scrollt man, vielleicht sogar mit telefonischer Hilfe eines freundlich-verzweifelten Finanzamts-Mitarbeiters, der das letzte Update auch noch nicht gesehen hat, seitenweise und stundenlang auf dem elektronischen Formblattstapel umher, um am Ende festzustellen, dass man die Null für die Null irgendeines Betrags hätte nicht eintragen dürfen, weil ein leerer Eintrag zwar wie Null bewertet wird, eine eingetragene Null aber den Plausibilitätstest an seine Grenzen bringt.
Aber sicherlich haben sich die Programmierer etwas dabei gedacht, was sich dem Ausfüllbeauftragten nicht erschließen kann. Klar auch, dass man diese Null, einmal eingegeben, nicht wieder löschen kann.
Nun mache man sich klar, welche Heerscharen mit diesem Formblatt befasst sind: Da gibt es die Legislative, die die Vorgaben liefert: Immer schwammig, immer wechselnd, immer gemäß irgendeiner politischen Motivation. Dann folgt die Anpassung vorhandener Formblätter an die Ergänzungen/nie Streichungen, dazu die Herausgabe von Anleitungen zum Ausfüllen der Formblätter, Informationsschriften für z.B. Steuerberater, neue Druckvorlagen .. nein, der Fortschritt hält ja Einzug: stattdessen gehen Änderungsvorgaben an die Programmierer der hochmodernen elektronischen Form, für die nächsten Updates.
Am Ende sitzt, zumeist alljährlich, oftmals auch häufiger, der Steuerzahler vor einem neuen Formblatt, erfreut sich vielleicht noch der modernen Technik, um letztlich ein paar Zahlen in mühsam erkundete, zutreffende Blöcke einzutragen, um anschließend zu versuchen, die Hürde der Pausibilitätsprüfung zu nehmen, und dann mit Schlüssel oder irgendwelchen anderen Sicherheitsmaßnahmen das Formblatt los zu werden. Und wenn er Glück hat, folgen keine weiteren Diskussionen und Korrekturerklärungen dazu, was nun unnötiger Weise ausgefüllt wurde, und zur Not gibt es ja auch Steuerberater.
Damit sind wir wieder am Anfang: Ist es nicht lustig, wie ähnlich dämlich aufwändig man die Übermittlung von ein paar lächerlichen Informationen gestalten kann, absolut vergleichbar mit dem Brutverhalten jenes afrikanischen Vogels?
Nein, es ist nicht lustig, es ist traurig, dass hier gnadenlos in Unmaßen Arbeitsleistung verpulvert wird, brav hingenommen mit einem noch verständnisvoll klingenden Seufzer: "ja, ohne Bürokratie geht es halt nicht".
Genau das ist zu hinterfragen. Jedenfalls sind die hier nur exemplarisch angerissenen Ausmaße, die die Bürokratie zum Selbstzweck machen, nicht vereinbar mit der vermeintlichen Vernunft, mit der sich der Mensch gern über das Tierreich erhebt...